01.07.2025, 07:54 - Wörter:
Artemis’ Haus in Cornwall

Weit draußen an Cornwalls windiger Küste, verborgen zwischen alten Steinmauern und salzgetränkten Hecken, liegt ein Herrenhaus, dessen Geschichte so alt ist wie die Familie Travers selbst. Artemis Fenwick, geborene Travers, hat dieses Haus behalten dürfen, als stilles Schweigegeld, damit sie die Geheimnisse ihrer Familie nicht ans Licht zerrt und sich in aller Öffentlichkeit nicht länger mit ihnen schmückt.
Offiziell lebt sie hier mit ihrem Ehemann Benjy, einem muggelstämmigen, unauffälligen Mann, der als Künstler in der magischen Welt bekannt ist. Doch wer das Knarren der Holzdielen kennt, weiß: Hinter dieser Fassade verbirgt sich etwas ganz anderes.
In Wahrheit teilt Artemis ihr Heim mit ihrer Partnerin und mit all jenen, die diesen Ort brauchen: queere Mädchen und Frauen, die sich in einer Welt, die sie lieber in Schubladen sperren würde, gegenseitig finden wollen. Offiziell heißt es, man treffe sich hier für den „Buchclub“ einer kultivierten Reinblüterin. Tatsächlich steckt hinter dieser harmlosen Tarnung ein sicherer, warmer Raum, in dem sie so sein dürfen, wie sie sind.
Die schweren Flügeltüren öffnen sich immer wieder für all jene, die miteinander reden, sich austauschen oder einfach in einer vertrauten Ecke zusammensitzen wollen. Meist mit einer Tasse Tee, den Füßen unter einer Katze vergraben, während das Meeresrauschen durch die alten Fenster dringt. Manche ziehen sich auch zu zweit in eines der oberen Zimmer zurück, um dem, was sie verbindet, einen geschützten Platz zu geben. Zwischen knarrenden Böden, alten Decken und Büchern, die Geschichten von anderen Zeiten erzählen, dürfen sie hier Nähe teilen, ohne Furcht vor neugierigen Blicken.
Und ja, manchmal finden auch Mädchen oder Frauen, die nach einem Outing plötzlich allein dastehen, in diesem Haus für eine Weile ein Dach über dem Kopf. Doch die eigentliche Magie liegt darin, dass dieser Ort so viel mehr ist als ein Versteck: Er ist ein Treffpunkt. Ein stilles Netzwerk. Ein geheimer Garten, in dem Freundschaften wachsen, Träume ausgesprochen werden dürfen und Blicke länger halten, als es draußen jemals möglich wäre.
Tagsüber gehört das Haus den Katzen und den Frauen selbst, denn Artemis verbringt ihre Zeit in ihrem Buchladen “Artemis’ Grove”, bis sie am Abend zurückkehrt. Dann füllt sie die alten Räume mit Geschichten, Ratschlägen und dem sicheren Wissen, dass kein Mädchen und keine Frau jemals allein sein muss, wenn sie es nicht will.
So bleibt dieses Haus, verborgen zwischen Klippen und Sturm, ein Ort, an dem Herzen leicht werden, Blicke ehrlich sein dürfen und an dem der „Buchclub“ so viel mehr bedeutet, als es jemals auf einer Einladung stehen könnte.